Mitte Juni sind wir zur Documenta15 nach Kassel gefahren. Alle fünf Jahre findet in der drittgrößten Stadt in Nordhessen eine Weltausstellung für zeitgenössische Kunst statt.
Unter dem Motto lumbung (- Miteinander teilen -) präsentierten der künstlerische Leiter Ade Darmawan mit seiner ruangrupa, einem indonesischen Künstlerkollektiv aus Jakarta, mehrere Kunst-Stationen in den Bezirken Mitte, Fulda, Bettenhausen und Nordstadt. Letzteren haben wir leider nicht mehr geschafft.
Unser Hotel lag fußläufig zur Innenstadt und bot ein gutes Frühstück.
Tag 1: Ankunft in Kassel und Documenta15 Außenstandorte
Zuerst haben wir uns in der Innenstadt am Friedrichsplatz einen ersten Eindruck über die Documenta15 verschafft. Dort befinden sich frühere documenta-Kunstwerke; wie z.B. den vertikalen Erdkilometer von Walter De Maria (1977), der Rahmenbau der ehemaligen Architektengruppe Haus-Rucker-Co (1977) oder die erste von 7000 Eichen von Joseph Beuys (1982).
Anschließend kauften wir uns Tickets im ruruhaus, bummelten durch die Königsstraße und spazierten durch den Staatspark Karlsaue. Im Biergarten der Orangerie gönnten wir uns einen Drink und planten den nächsten Tag.
Auf dem riesigen Friedrichsplatz vor dem Staatstheater standen ein großes Wandbild und Pappfiguren der indonesischen Künstlergruppe Taring Padi. In der Mitte des Platzes hatte der australische Künstler Richard Bells auf trockenem Rasen ein Zelt aufgebaut und an der Fassade des Fridericianums eine Digitalanzeige installiert, die den wachsenden Betrag anzeigt, den die australische Regierung den Aborigines und Torres Strait Insulanern bis heute schuldet. Am Rand der Wiese standen Food Trucks mit nachhaltig und biologisch angebauten Lebensmitteln aus der Region.
An der Fassade der C&A-Filiale auf dem Opernplatz hing ein Banner von Taring Padi. Früher stand hier das im Krieg zerstörte Palais Waitz von Eschen Heute nur noch ein Denkmal des Hofkapellmeisters Louis Spohr
Im Fußgänger-Tunnel der Unterführung Frankfurter Straße – Fünfsternstraße präsentierte die amerikanische Künstlergruppe Black Quantum Futurism aus Philadelphia anlässlich der Documenta15 eine Soundinstallation.
Auf der Karlswiese vor der Orangerie präsentierten Cinema Caravan und Takashi Kuribayashi Zelte, eine Kräutersauna und ein Open-Air-Kino. Das afrikanische Künstlerkollektiv The Nest Collective aus Nairobi verwandelte den Park mit der Installation „Return to Sender“ aus Elektroschrott und Altkleidern in eine Müllhalde.
Am Hiroshima-Ufer der Fulda auf Höhe der StahlskulpturSpitzhacke des schwedisch-amerikanischen Bildhauers Claes Oldenburg hatte das umgebaute Boot citizenship des Berliner ZK/U–Zentrum für Kunst und Urbanistik angelegt, das mit Muskelkraft und erneuerbaren Energien von Berlin nach Kassel gezogen wurde.
Im Gewächshaus auf dem Betriebshof der Parkverwaltung der Karlsaue präsentierte die kolumbianische Kulturstiftung Más Arte Más Acción (MAMA) eine Soundinstallation mit Holzstämmen.
Am Aueteich wurde an einem „Reflecting Point“ an die 125 Jahre alte Fichte Maria erinnert, die letztes Jahr verdurstet ist.
Mitten im Park auf einem Komposthaufen präsentierte die argentinische Künstlergruppe La Intermundial Holobiente ihre Publikation The Book of the Ten Thousand Things
Auf dem Rückweg kamen wir am Ehrenmal vorbei, haben auf der Terrasse des Thai Restaurants neben dem Hotel gegessen und sind in die Betten gefallen.
Tag 2: Documenta15 Indoor-Ausstellungen – das volle Programm
Bei leichtem Nieselregen starteten wir nach dem Frühstück in Richtung Bettenhausen, einem Industriegebiet im Osten der Stadt. Vorbei am hessischen Landesmuseum sind wir zuerst im Hotel Hessenland gelandet.
Im ehemaligen Ballsaals des Hotel Hessenland wurde eine 100 Quadratmeter große Bodeninstallation der südafrikanischen Künstlergruppe MADEYOULOOK aus Johannesburg präsentiert.
Anschließend weiter mit der Straßenbahnlinie 4 bis zur Sandershäuser Straße direkt vor das Hallenbad Ost. Fußläufig lagen das Sandershaus, das erste Hostel in Kassel, das Hübner-Areal, wo früher Busse und Bahnen gebaut wurden und die St Kunigundis -Kirche.
In dem ehemaligen Hallenbad Ost präsentierte das indonesische Institut für bürgernahe Kultur Taring Padi Banner, Holzschnittplakate und lebensgroße Pappfiguren.
Im Außenbereich des Sandershaus, einem Ort für Kultur, Repair-Cafés und Upcycling schufen Serigrafistas queer, Sa Sa Art Projects und Trampoline House einem Versammlungsort von der leer stehenden Haferkakaofabrik
Im Hübner-Areal zeigte die Fondation Festival sur le Niger aus Mali traditionelle Kunst aus ihrer Heimat. Die chinesische Gruppe BOLOHO aus Guangzhou streamte eine Sitcom in der Cafeteria und das Trampoline House aus Kopenhagen stellte das dänische Asylsystem infrage. Weiterhin präsentierten die Künstler Amol K Patil, Hamja Ahsan,Jatiwangi art Factory, Sebastián Díaz Morales und Simon Danang Anggoro ihre Werke.
In der römisch-katholischen Kirche St. Kunigundis konnte man die Mixed-Media-Skulpturen der Gruppe Atis Rezistans aus einem Ghetto in Haiti bewundern.
Nachdem wir (fast alle) Kunst-Stationen in Bettenhausen und sogar noch einige Fachwerkhäuser gesehen haben sind wir zurück in die Innenstadt zum ruruhaus, dem Fridericianum und der documenta Halle.
Das Museum Fridericianum wurde zur Fridskul (Fridericianum als Schule), dem Treffpunkt für aller KünstlerInnen – ihr lumbung zur Aufbewahrung gemeinsamer Ressourcen (Wissen, Geschichten und Erfahrungen). Auf den Säulen des Eingangsportals präsentierte Dan Perjovschi Zeichnungen zu lumbung-Werten.
In der documenta Halle zeigte das thailändische Künstlerkollektiv Baan Noorg Collaborative Arts and Culture aus der Provinz Ratchaburi seine Videoinstallation zum Thema „Milchwirtschaft in Deutschland und Thailand“, ein Schattentheater und eine Skateboard-Bahn. Das Wajukuu Art Project aus Nairobi sowie das Instituto de Artivismo Hannah Arendt (INSTAR) aus Havanna präsentieren künstlerische Arbeiten. Das Kollektiv Britto Arts Trust aus Dhaka konzentrierte sich auf Ernährungspolitik.
Im ruruHaus gab es neben documenta Tickets, einem Cafe und Merge-Artikeln auch kleinere Installationen im Untergeschoß.
Zum Schluss besichtigten wir das Stadtmuseum Kassel, die Grimmwelt und das Museum für Sepulkralkultur.
Im Stadtmuseum waren auf mehreren Etagen Kunstwerke der britischen Künstlergruppe Project Art Works aus Hastings, des Kollektivs FAFSWAG aus Aotearoa und des Nhà Sàn Collective aus Hanoi zu sehen. Safdar Ahmed präsentierte eine Videoinstallation.
Die Grimmwelt Kassel steht auf einem innerstädtischen Weinberg und ist ein Ausstellungshaus für Jacob und Wilhelm Grimm. Gezeigt wurden Arbeiten der Künstlerin Jumana Emil Abboud zum Thema Wasser, des Kollektives Alice Yard sowie der indonesische Künstler Agus Nur Amal PMTOH.
Im Museum für Sepulkralkultur wurden großformatige Drucke und Skulpturen des mexikanischen Künstlers Erick Beltrán gezeigt sowie ein Reklameschild für Halal Fried Chicken von Hamja Ahsan.
Dann gönnten wir uns einen Drink im Biergarten der Grimmwelt und ein spanisches Essen mit toller Aussicht auf der Terrasse des Boleros.